Team von Board Game Circus

Brettspielelelust-Interview: Daniel Theuerkaufer, Dirk Huesmann und Lisa Prohaska von Board Game Circus über die anstehende Spielemesse in Essen, die Herbstneuheiten ihres Verlags und die Ursachen für steigende Brettspielpreise.

Brettspielelust: Pure Vorfreude oder gemischte Gefühle – wie denkt ihr über die SPIEL 21?

Daniel Theuerkaufer: Ich bin dankbar, dass auf der SPIEL im Vergleich zu anderen Veranstaltungen die Maske komplett getragen werden muss. Gut, dass die Verantwortlichen sich viele Gedanken gemacht und die Maßnahmen frühzeitig kommuniziert haben. 2G wäre mir noch lieber, aber ich gehe da mit einem guten Gefühl rein.

Dirk Huesmann: Das Konzept mit permanenter Maskenpflicht und 100 Prozent Frischluft in den Hallen finde ich okay. Natürlich könnte man die Maßnahmen noch weiter verschärfen. Ich war kürzlich auf einer Veranstaltung, bei der 1GG galt. Also man musste geimpft und getestet sein, um reinzukommen. Aber das ist fast schon zu krass.

Daniel: Obwohl wir alle geimpft sind, bleiben wir vorsichtig und fahren mit kleinem Besteck zur Messe. Das heißt, unser Stand ist kleiner als sonst und eher wie eine Festung. Wir stehen hinter den Tischen und die Besucherinnen und Besucher können davor entlanglaufen. Wir machen kurze Einführungen in das jeweilige Spiel, das dort aufgebaut ist. Und am Ende des Ganges steht dann die Kasse. (lacht)

Als kleiner Verlag muss man sich bemühen, um auf einer großen Messe aufzufallen. Ist das in diesem Jahr noch schwieriger?

Daniel: Da sehe ich uns nicht im Nachteil. Ob ich einen Riesenstand in Halle 1 oder 3 habe oder einen kleineren in Halle 5: Ich bin da und Menschen, die an Spielen interessiert sind, laufen bei uns vorbei wie an jedem anderen Stand. Das Gros wird vermutlich Zufallstreffer landen, das stimmt. Da kommen viele Menschen vorbei, die uns noch nicht auf dem Schirm hatten. Aber man hat es nirgendwo leichter, genauso aufzufallen wie Asmodee oder Kosmos wie auf dieser Messe.

Präsenzveranstaltungen sind wichtig für euch. Als ihr eure Spiele aufgrund der Pandemie nicht auf Messen vorstellen konntet: Wie stark belastete das die Verkaufszahlen?

Daniel: Der Marketing- und Sichtbarkeitseffekt einer Messe steht für Board Game Circus mehr im Vordergrund als der Verkauf. Du kannst nicht sagen, wenn die Messe ausfällt, haben wir zu wenige Einnahmen. Denn was wir dort verdienen, frisst die Messe durch ihre Durchführungskosten wieder auf. Aber ohne Messe gibt es kein Gesehenwerden. Niemand spricht über dich und es wird schwierig, dein Spiel dauerhaft im Gespräch zu halten. Beispiel Chartae: Das Spiel sollte im März 2020 als Neuheit auf der „Spiel doch“ in Duisburg herauskommen. Dann fiel die Messe aus – und das Spiel in ein Loch! Das hat gar nicht stattgefunden. Mehrere Wochen, Monate mussten wir anders planen, bis wir es da hatten, wo wir es haben wollten: bis genug Menschen wussten, dass es das gibt und es auch über den Handel anfing, gut zu laufen.

Dirk: Messen sind deshalb so wertvoll für uns, weil wir dort von Menschen entdeckt werden, die uns noch nicht kennen. Das kann man am eigenen Messeverhalten beobachten: Du läufst rum, machst Fotos, stellst was bei Facebook und Twitter rein und sagst anderen „Guckt mal, was ich hier gefunden habe.“ Das ist für Kleinverlage eine Riesenhilfe. Sogar bei der SPIEL Digital im vorigen Jahr hat dieser Entdecker-Effekt überraschend gut funktioniert.


Board Game Circus


Gegründet 2014. Zunächst Übersetzungsstudio für Brettspiellokalisierungen, seit 2017 auch Kleinverlag für Gesellschaftsspiele mit angeschlossenem Vertrieb. Sitz: Bad Krozingen bei Freiburg. Web: boardgamecircus.com, Shop: brettspielkiosk.de


Mit welchen Neuheiten präsentiert sich Board Game Circus auf der diesjährigen SPIEL?

Dirk: Unsere große Herbstneuheit heißt „Im Schatten der Pagode“. Dazu kommt eine kleinere Neuheit, das asymmetrische Zwei-Personen-Spiel „Mutlose Monster“. Wir präsentieren aber auch einen ganzen Schwung an Spielen, die im letzten Jahr herausgekommen sind und seitdem zu wenig Liebe bekommen haben: „Wildes Weltall“ mit Erweiterung, „Obsthain“ und „Wild Cards“. Im Nachgang der Messe stehen bereits weitere Titel auf dem Fahrplan: „Die Tiere vom Ahorntal“ oder „Heimliche Herrschaft“ als Beispiele.

Gibt es bereits einen Ausblick aufs kommende Jahr?

Daniel: Wir haben mehrere eigene Spiele nach Wild Cards, dazu gehört „Fika“, ein taktisches Zwei-Personen-Kartenspiel, dazu gehört „Grease Monkey Garage“, ein nach unten offenes, sehr leichtes Worker Placement. Und dazu gehört auch „Lost Lights“, ein sehr thematisches, strategisches Kartenspiel mit Area Control für zwei Personen.

Neben den Eigenproduktionen macht ihr auch Lokalisierungen. Worum geht es dabei genau?

Lisa Prohaska: Bei der Lokalisierung macht man ein Spiel in einer anderen Sprache für einen anderen Markt zugänglich. Dazu gehört neben der eigentlichen Übersetzung und dem Lektorat für die Qualitätssicherung auch die redaktionelle Bearbeitung. Wir überlegen uns zum Beispiel, ob bestimmte Grafiken oder die Struktur der Spielanleitung angepasst werden müssen, und arbeiten nach unserem eigenen Style Guide. Bei Board Game Circus ist uns eine genderneutrale Sprache wichtig, damit sich niemand ausgeschlossen fühlt, und wir achten darauf, die Spielenden direkt anzusprechen. Bei einer Lokalisation geht es also auch darum, Werte wie Inklusion, die uns als Verlag wichtig sind, zu transportieren. Das ist mehr als eine reine Übersetzung, und durch die redaktionelle Bearbeitung bringen wir auch Verbesserungen ein.

Kauft ihr auf Messen selbst viele Spiele? Vielleicht von ausländischen Verlagen, weil darin Potenzial für weitere Lokalisierungen steckt?

Dirk: Meine Regale sind voll und es ist nicht mehr viel Platz für Neues da. Deshalb habe ich mir geschworen, mich in diesem Jahr zurückzuhalten! Das Problem ist, dass ich Spiele nicht nur wegen des Jobs mag. In meinem Fall ist das Hobby zum Beruf geworden und ich kaufe gern Spiele, die mich privat interessieren. Das sind nicht notgedrungen die, die wir als Board Game Circus herausbringen.

Lisa: Ich bin eher der Typ Mensch, der sich gerne überraschen lässt. Natürlich schaue ich mir vorab alle möglichen GeekLists an. Aber auf der Messe entdeckt man immer noch das ein oder andere Spiel, bei dem man zuvor dachte, das ist nicht so mein Thema. Aber dann steht es vor einem auf dem Tisch und die Leute erzählen etwas Interessantes dazu. Dann wird es plötzlich doch spannend – und genau das ist der Reiz einer Messe. 

Daniel: Früher haben meine Einkäufe auf der SPIEL immer ein halbes Regal gefüllt. Das habe ich inzwischen massiv reduziert und kann mich gut zusammenreißen. Wir wollen und müssen ja auch unsere eigenen Spiele spielen und neue testen, deshalb ist die Zahl privat gespielter Brettspiele beschränkt.

Sich zusammenreißen schont den eigenen Geldbeutel, denn Brettspiele werden zurzeit deutlich teurer. Woran liegt das?

Daniel: Die Gründe dafür sind vielschichtig. Steigende Kosten für Ressourcen und Transport, ein Engpass generell bei der Produktion – das sind Ursachen, die Spiele teurer machen. Da liegen wir ganz im Trend der anderen Verlage. Auch wir werden die Preise entsprechend den Kosten anpassen. Daran werden sich alle in der Szene gewöhnen müssen.

Problem für die Spieler:innen: Bei gleichem Budget können sie weniger Brettspiele kaufen und müssen selektieren.

Daniel: Das erwarten wir auch. Wie reagieren wir darauf? Eine Lösung könnte sein, Titel zu machen, die eine längere Halbwertszeit haben. „CuBirds“ und „Buntes Burano“ haben wir mittlerweile zum dritten Mal aufgelegt, weil sie kontinuierlich nachgefragt werden. Das ist ein Steady-Flow auf Kund:innenseite, eine Verlässlichkeit, dass solche Spiele nicht sofort wieder out sind.

Sind es eher kleine, handliche Spiele, die besser laufen? Weil sie nicht gleich 50 Euro kosten?

Daniel: Das würde ich nicht sagen. Wir erreichen bei Board Game Circus eine begrenzte Zahl an Menschen je Spiel. Das sind vor allem informierte Menschen und informierte Menschen kaufen ein großes Spiel, das 55 oder 60 Euro kostet, genauso wie ein kleines. Darüber hinaus gibt es Gelegenheitsspieler:innen, die wir bislang noch gar nicht erreichen, die außerhalb der Community sind und keine Spielevideos ansehen. Bei denen ist das Potenzial für die kleinen Boxen größer.


Wir sprachen mit:

Daniel Theuerkaufer (Gründer und Geschäftsführer von Board Game Circus)
Dirk Huesmann (Presse- und Medienmanager bei Board Game Circus, Redakteur in der Spieleentwicklung)
Lisa Prohaska (Translation Managerin, Übersetzerin und Redakteurin bei Board Game Circus)


Zurück zur SPIEL: Welche Tipps habt ihr für Menschen, die in diesem Jahr zum ersten Mal auf die Essener Messe gehen?

Daniel: Nehmt Bargeld mit, denn nicht alle Stände akzeptieren Kartenzahlungen. Bei uns geht das, aber schlimmstenfalls rennt ihr dann rum und sucht einen Automaten. Wenn ihr ein mittelstressiges Messeerlebnis sucht: Fangt in den mittleren Hallen an, denn vorne in den Hallen 1 und 3 bleiben erstmal alle Menschen stecken, sobald morgens die Türen aufgehen. Da wird auch die Luft als Erstes schlecht. Und falls ihr mit schmalem Budget unterwegs seid, schaut noch mal ab Sonntagmittag vorbei, da gibt es Verlage, die ihre Spiele nicht wieder mitnehmen wollen, bei denen ihr vielleicht einen guten Deal machen könnt.

Lisa: Erstellt euch eine Liste mit den paar Spielen, die ihr unbedingt sehen wollt, damit ihr sie nicht verpasst oder keine Zeit mehr dafür habt. Natürlich sollte man sich auf so einer Messe vor allem auch spontan etwas ansehen und – wie zuvor schon so schön gesagt – Neues entdecken. Lasst euch also ruhig auf die jeweilige Halle ein und lasst euch überraschen.

Dirk: Haltet die Entdeckungsfreude aufrecht! Die großen Verlage haben bestimmt schöne Spiele, aber die kriegt man auch überall sonst. Deshalb: Wagt euch einmal in die hinterste Ecke von Halle 5 oder 6 und seht euch dort um. Da gibt es Mini-Verlage, die vielleicht nur ein Spiel anbieten und man kann mit den Menschen, die dieses Spiel erschaffen haben, ins Gespräch kommen. Die haben so viel Herzblut da reingesteckt und ob das Spiel gut oder schlecht ist, bleibt zunächst zweitrangig.

Daniel: Genau, traut euch auch auf jeden Fall, die Menschen hinter den Spielen anzusprechen. Es gibt unheimlich viele Autorinnen und Autoren, die selbst sehr schüchtern sind und sich freuen, angesprochen zu werden und ich sehe eben auch immer Menschen vor unserem Messestand, bei denen ich denke: Ist das nicht die Person von Twitter, die sich nicht traut, uns anzusprechen? Keine Angst, wir sind nicht irgendwelche komischen Firmenleute!

Vielen Dank für das Gespräch.

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