Unsere SPIEL23 – kritisch betrachtet

40 Jahre SPIEL in Essen, erstmals unter neuer Leitung: Was hat uns an der 2023er-Ausgabe der weltgrößten Spielemesse gefallen, wo gibt es Verbesserungsbedarf? Ein Pro & Contra.

Breiterer Mittelgang, dennoch extrem voll: Halle 3 mit vielen Kennerspielen (Foto: Merz Verlag)

Die SPIEL23 war die erste Nach-Corona-Messe und knüpfte scheinbar mühelos an die Zahlen von 2019 an: „193.000 spielebegeisterte Menschen aus 85 Ländern kamen zur international größten Publikumsmesse für Brettspiele. Dank dieser beeindruckenden Zahl und einer Gesamtfläche von 62.500 m² fand die größte SPIEL aller Zeiten statt“, schreibt der veranstaltende Merz-Verlag in seiner Pressemitteilung.

Erstmals war nicht mehr Dominique Metzler für die Organisation und Durchführung der SPIEL zuständig. Die neue Leitung um Geschäftsführerin Carol Rapp hatte nicht nur an einigen Stellschrauben gedreht, sondern gleich ein komplett neues Hallenkonzept gestrickt. Während in Halle 1 Rollen-, Sammelkarten- und Miniaturenspiele Einzug hielten, waren in Halle 3 Kenner- und Expertenspiele zu finden. In den Hallen 2, 4, 5 und 6 warteten Familienspiele – vom einfachen Kinder- bis zum leichten Kennerspiel – darauf, ausprobiert zu werden.

Wir haben versucht, alle Aspekte unseres Messeerlebnisses nach Pro- und Contrapunkten zu sortieren. Natürlich gibt es eine Abschlussnote, ganz so wie bei den Spielerezensionen in diesem Blog. Alles rein subjektiv, mit Mut zur riesigen Lücke und an manchen Stellen augenzwinkernd.

Viel Spaß beim Lesen! Sagt uns in den Kommentaren gern eure Meinung zur SPIEL23.


SPIEL23 auf einen Blick | 7.5

Fazit: Die Jubiläumsausgabe der SPIEL überraschte mit vielen Neuheiten. Das thematische Hallenkonzept wird sich wohl durchsetzen und es bleibt spannend, welche Ideen die neue Leitung der Messe in den kommenden Jahren entwickelt. An 200.000 Menschen ohne Maskenpflicht in teils überfüllten Hallen müssen wir uns erst wieder gewöhnen. Der Spielejahrgang bot aus unserer Sicht leider viel Mittelmaß, echte Highlights im Bereich der Familienspiele waren selten. Daher bleibt es unterm Strich für uns eine gute, aber nicht die beste SPIEL aller Zeiten.

Veranstalter: Friedhelm Merz Verlag | Geschäftsführung: Carol Rapp | 5.-8. Oktober 2023 | 193.000 Besucher:innen | ohne Altersbegrenzung | 9 Stunden täglich

Die Anreise

Pro

  • (Ja, wer das Privileg einer Akkreditierung genießt und auf P1 direkt vor der Messehalle unterkommt, darf sich freuen. Aber auch für ihn/sie gilt, was rechts unter Contra steht.)

Contra

  • Das Messegelände liegt mitten im urbanen Essen. Wer mit dem Auto kommt, steht im Stau, Stau, Stau. Und wer stattdessen mit der Bahn anreiste, hatte Probleme wegen der Komplettsperrung von Strecken.

Tag 0: Pressekonferenz und Neuheitenshow

Pro

  • PK endlich hell und luftig, weil im Foyer von Halle 8: Man hatte genug Platz und gutes Licht für Fotos. Kann so bleiben!
  • wirkte moderner und internationaler wegen Zweisprachigkeit

Contra

  • Bitte nie wieder eine Neuheitenshow in diesen kleinen und vollgestopften Räumlichkeiten! Es war eng, man hatte kaum Möglichkeiten, sich die aufgebauten Neuheiten anzusehen, Fotos davon zu machen oder mit den Ausstellern ins Gespräch zu kommen.
  • Gleichzeitige(!) Neuheitenshow und Preisverleihung „Deutscher Spiele Preis“ im selben engen Raum… warum? Das hätte man zuvor auf der PK auch würdiger für die Ausgezeichneten durchführen können.

Das neue Hallenkonzept

Pro

  • zunächst ungewöhnlich, weil Verlage nicht mehr an ihren Stammplätzen zu finden waren. Wenn das neue Konzept tatsächlich für mehr Durchfluss und Verteilung der Besucher auf mehr Hallenfläche sorgt, wird es sich auch durchsetzen.
  • Haupteingang endlich wieder „vorne“, also neben der Grugahalle; wer früher schon auf der SPIEL war, kennt noch die alte Halle 12(!) als Start ins Messevergnügen.

Contra

  • Ein paar Verlage wirkten z.B. in Halle 3 deplatziert (Alderac, Abacusspiele) und hätten aufgrund ihres Angebots nach vorn in Halle 6 gemusst.
  • trotz breiterer Gänge (war so angekündigt, haben wir nicht nachgemessen) waren speziell die Randgänge und Knotenpunkte zwischen den Hallen sehr überfüllt. Menschen, die zu Platzangst neigen, sollten um Halle 3 einen Bogen machen ab den späten Morgenstunden.

Die SPIEL-App

Pro

  • echter Mehrwert für alle Messebesucher
  • viele Filtermöglichkeiten, Navigation zu den gesuchten Ständen, wow: Erstmals brauchten wir keine ausgedruckten Zettel oder sonstige analoge Hilfsmittel mehr auf der Messe.
  • In der Community war von Verbindungsproblemen am Wochenende zu lesen. Bei uns lief alles reibungslos!

Contra

  • wichtiger Filter fehlt: „zuletzt hinzugefügte Spiele“. Man wusste in den Tagen vor der SPIEL nie, welche Neuheiten nach den vielen kleinen und großen Updates hinzugekommen waren.
  • eingestellte persönliche Filter werden nicht gespeichert und sind beim nächsten Öffnen der App weg.
  • Werbe-Notifications für Verlagsangebote ab Tag 1 auf der Messe – das nervte.

Rahmenprogramm & (Live-)Streams

Pro

  • sehr gute Livestreams als tägliche Rundgänge durch die jeweiligen Hallen: unaufgeregte Moderation von Simon und Daniel, informativ, umfangreich
  • Rahmenprogramm, das ebenfalls gestreamt und nachträglich auf dem YouTube-Kanal der Messe bereitgestellt wird

Contra

  • Leider war das Rahmenprogramm (Educators‘ Day, Panels) auf der SPIEL selbst kaum sichtbar. In der Vergangenheit gab es eine stärkere Verzahnung von Vorträgen in die SPIEL, man kam als Besucher auch mal zufällig daran vorbei, blieb stehen, hörte zu.

Kosten

Pro

  • Die Nutzung der Toiletten ist weiterhin umsonst. (Ernsthaft, was soll man angesichts von Inflation und steigender Preise sonst positiv hervorheben?)
  • Dauerkarte über vier Tage wieder erhältlich; lohnt sich preislich auf jeden Fall

Contra

  • Ticketpreise gestiegen (Tageskarte Erwachsene: 22 EUR, Schülerinnen: 19 EUR)
  • Currywurst Pommes inzwischen zweistellig (10 EUR)
  • Familien mit Kindern, die trotz Selbstversorgung eine warme Mahlzeit einnehmen möchten, sind finanziell schnell im roten Bereich.
  • Echte Messeschnäppchen gehören offenbar der Vergangenheit an. Viele Spiele vor Ort sogar teurer als online im Fachhandel. Vergleichen ist besser als blind kaufen!

…und das Wichtigste: die (gespielten) Neuheiten

Pro

  • Zufällig „Champions“ ausprobiert, weil wir gerade einen freien Tisch suchten – und sofort Spaß und gute Laune gehabt. Tolles Party-Duellspiel im Freundes- oder Familienkreis.
  • Ne Tüte Chips“ kann man immer essen – oder künftig spielen. Klein, fein, schnell auf den Tisch gebracht.
  • Beacon Patrol“ entspannt als kooperatives Legespiel mit Schiffen, Bojen und Leuchttürmen in der Nordsee. Hoffentlich bald mit deutscher Lokalisierung, bei DEM Thema…

Contra

  • Enttäuschend ist „Alhambra – The Red Palace“. Als große Alhambra-Fans haben wir mehr erwartet. Zusätzlicher Verwaltungsaufwand und kaum Mehrwert, schade.
  • In Tokyo werden wir keine U-Bahnen bauen. Die Fortsetzung des geschätzten „Next Station: London“ fühlt sich unnötig komplizierter an, die Distrikte sind immer noch schwer zu erkennen und die Anleitung bleibt strukturell und beim Layout eine Katastrophe.
  • Was alle an „Schnitzeljagd“ mochten, ist uns ein Rätsel.

Was uns zum Schluss noch aufgefallen ist

Pro

  • großes Lob wie immer an die ausdauernden und geduldigen Spieler-Erklärer:innen! Ihr macht einen tollen Job, keine Ahnung, wie ihr das vier Tage lang von morgens bis abends durchsteht.

Contra

  • Wo war Meeps? Das Maskottchen, auf der Pressekonferenz noch groß präsentiert, war in der Promotion der SPIEL so gut wie nicht präsent (oder haben wir es bloß verpasst?) Gab es Aktionen außer dem Bemalen einer kleinen Figur in der Galeria? Gab es eine menschengroße Katze im Stofftierkostüm, die auf der Messe umher lief und Give-aways verteilte?
  • Die Key Visuals der SPIEL hätte Meeps-Designer Michael Menzel wohl auch besser übernommen. Stattdessen gab es KI-generierte Cartoon-Bilder einer spielenden Familie, mit unbemerkten Faux pas auf den Plakaten (ein Junge mit sechs Fingern?)…

Hinweis: Wertungen vergeben wir im Bereich 1 bis 10 Punkte. Messen mit 1 bis 3 Punkten sind schlecht, mit 4 bis 6 Punkten durchschnittlich. Ab 7 Punkten beginnen die empfehlenswerten Messen. Nur außergewöhnliche Veranstaltungen erhalten Wertungen ab 9 Punkten.


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