Der weiße Hai (Brettspiel)

1975 sorgte ein weißer Hai für Angst und Schrecken auf der Leinwand. 45 Jahre später bringt Ravensburger „Der weiße Hai“ als Brettspiel-Umsetzung des Kinoklassikers heraus. Wir sagen, ob sich das lange Warten gelohnt hat.

Der Hai greift am Nordstrand an. Sieht schlecht aus für die beiden Badegäste, die dort im Wasser schwimmen.

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Ein riesiger Hai, der die Bewohner der Insel Amity in Angst und Schrecken versetzt. Drei Männer, die Kopf und Kragen riskieren und den weißen Killer auf offener See jagen. Nur wenige Meisterwerke der Filmgeschichte blieben so bildgewaltig und akustisch in Erinnerung wie Steven Spielbergs ikonischer Horrorfilm. „Der weiße Hai“ war ein Kassenschlager und hat den Begriff Blockbuster bis heute geprägt. Um so erstaunlicher, dass niemand auf die Idee kam, das spannende Thema als Spiel umzusetzen. Zu blutrünstig? Womöglich.

Der weiße Hai: Worum es beim Brettspiel geht

Dank Ravensburger, die das Brettspiel der US-Spieleschmiede Prospero Hall (Disney Villainous, Horrified) publizieren, können nun auch Filmfans in Deutschland auf Hai-Jagd gehen. Zwei bis vier Personen ab zehn Jahren teilen die Rollen untereinander auf: Einer ist der Hai, die anderen übernehmen die Charaktere von Brody, Hooper und Quint – jene Männer, die das Meeresmonster zur Strecke bringen wollen.


Das Brettspiel Der weiße Hai auf einen Blick

Prospero Hall | Ravensburger | 2020 | 2-4 Spieler | ab 12 Jahren | 60 Minuten

Brettspielumsetzung eines Filmklassikers in zwei Akten: Die Jagd auf den weißen Hai ist thematisch gelungen, aber schwächelt auf spielerischer Ebene.


Wie der Film ist auch das Brettspiel in zwei Akte unterteilt: Im ersten Akt sucht der weiße Hai die Strände von Amity Island heim und versucht, so viele Badegäste wie möglich zu fressen. Währenddessen koordinieren die anderen Spieler ihre Aufgaben und Spielzüge auf der Insel mit dem Ziel, Menschenleben zu retten und den Hai aufzuspüren. Im zweiten Akt geht es raus aufs Meer: Brody, Hooper und Quint müssen sich auf dem Boot Orca vor den Angriffen des Hais in Sicherheit bringen und gleichzeitig versuchen, ihn zu töten. Entweder gewinnen alle überlebenden Jäger gemeinsam – oder der Hai siegt.

Akt 1: Amity Island

Die große Frage vor der ersten Partie ist, wie man einen spannenden Plot thematisch aufs Brettspielformat reduziert. Im ersten Teil von „Der weiße Hai“ funktioniert das über klassische Hidden Moves, ein Spielmechanismus, der mit „Scotland Yard“ (Ravensburger) in den 1980ern populär wurde. Der Spieler, der den Hai steuert, notiert sich im Geheimen seine Spielzüge rund um die Wasser- und Strandflächen der Insel. Regelmäßig taucht er auf und kann Schwimmer, die sich dort aufhalten, fressen. Zusätzlich hat er Karten mit Sonderfähigkeiten (zum Beispiel weitere Bewegungen), die er einmal pro Spiel nutzen darf. Seine Züge in jeder Runde bestehen immer aus den Aktionen Bewegen, einen Schwimmer fressen, Zusatzfähigkeit einsetzen.

Der Hai teilt den anderen nicht mit, welche Aktionen er ausführt. Er hält sie geheim und schreibt den Zug auf seinen Spielzettel. Erst dann verkündet er den Mitspielern folgende Informationen: welche Schwimmer an welchem Strandabschnitt er gefressen und welche Zusatzfähigkeiten er genutzt hat.

Brody, Hooper und Quint hingegen sprechen offen über ihre nächsten Handlungen. Nach dem Hai sind sie in beliebiger Reihenfolge am Zug. Sie müssen Schwimmer davor bewahren, gefressen zu werden und versuchen, zwei Fässer am Hai zu befestigen. (Für alle, die den Film noch nie gesehen haben: Mit Luft gefüllte Fässer sollen per Harpunenschuss am Hai befestigt werden, um ihn am Tauchgang zu hindern.)

Jedes Besatzungsmitglied darf pro Runde vier Aktionen durchführen. Brody kann sich beispielsweise über die Inselfelder bewegen, Fässer in den Docks einsammeln oder Fässer an Quint abliefern. Quint hingegen steuert die Orca durchs Meer, um Schwimmer zu retten und Fässer ins Wasser zu werfen, mit denen er den Hai zu treffen hofft. Und Hooper schippert mit einem Schnellboot herum, um bei der Suche nach dem Hai zu helfen, Quint Fässer zu liefern oder Schwimmer zu retten. Da alle Charaktere bestimmte und begrenzte Fähigkeiten besitzen, müssen sie kooperativ und vorausschauend spielen.

Der erste Akt endet, wenn der Hai entweder neun Schwimmer gefressen hat oder zwei Fässer an ihm hängen.

Akt 2: Die Orca

Jetzt geht es um alles: drei Jäger auf der Orca gegen den weißen Hai. Für den zweiten Teil des Spiels drehen wir den Spielplan um und befinden uns nun auf einem zunächst noch unversehrten Boot mit acht Feldern. Je nach Spielstand am Ende des ersten Aktes erhalten die Jäger noch zusätzliche Ausrüstung bzw. der Hai weitere Fertigkeitskarten.  

Akt 2: Drei Spieler jagen den Hai mit dem Boot Orca. Wo schlägt das Meermonster als nächstes zu?

Drei zufällig gezogene Ortskarten werden vor jeder Runde aufgedeckt und zeigen an, wo der Hai diesmal auftauchen könnte (der Hai-Spieler wählt eine dieser Karten geheim aus). Brody, Hooper und Quint wählen ihrerseits eines der acht Felder aus und nennen die Waffe, mit der sie dieses Feld angreifen wollen.

Es gibt Nahkampfwaffen, bei denen der Spieler mit seiner Figur in der Nähe des Hais stehen muss sowie Schusswaffen für die Angriffe, dazu noch Fangwaffen, die am Hai befestigt werden und ihn behindern. Angriffe sind nur dann möglich, wenn die Spieler das Feld gewählt haben, auf dem der Hai tatsächlich erscheint.

Wie genau laufen Angriffe ab?

Dazu werfen wir einen Blick auf die Karte, mit denen der Hai seinen Auftauchort bestimmt. Auf ihr ist eine bestimmte Anzahl von Würfeln zu sehen (z.B. drei) und ein so genannter Ausweichwert (z.B. zwei). Falls Brody nun den Hai angreift, würfelt er mit drei Würfeln. Vom Ergebnis zieht er den Ausweichwert ab. Die übrig gebliebene Ziffer gibt an, wie viele Verwundungen der Hai erleidet.

Der Hai darf ebenfalls mit drei Würfeln angreifen. Je nach Ergebnis demoliert oder zerstört er einen Teil des Bootes (alle Figuren, die auf diesem Feld stehen, fallen ins Wasser!). Oder er greift einen Spieler an, der sich bereits im Wasser befindet. Dann wird’s richtig „blutig“: Für jeden gewürfelten Punkt erleidet der Spieler eine Verwundung auf seiner Skala.

Wann ist „Der weiße Hai“ (Brettspiel) zu Ende?

Der Hai überlebt insgesamt 17 Verwundungen, bevor er stirbt. Jeder Spieler ist hingegen nach der sechsten Verwundung tot und scheidet aus dem Spiel aus. Entweder stirbt der Hai oder der letzte Spieler der Besatzung.

Der weiße Hai als Brettspiel: Fazit und Kritik

Perfekter Spannungsbogen, glaubwürdige Darsteller und ein fehlerfreies Handwerk hinter der Kamera – das sind die Voraussetzungen für einen gelungen Film. Bei Brettspielen sieht das anders aus. Hier zählen neben einer stimmigen Atmosphäre vor allem Spieltiefe und Variabilität sowie der einfache Zugang, was zu hohem Wiederspielreiz führen soll.

Wer das Brettspiel „Der weiße Hai“ spielt, sollte vorher den Film gesehen haben. Nicht irgendwann, sondern am besten direkt davor, zur Einstimmung. So ist die Freude über die thematische Umsetzung des Thrillers am größten, denn atmosphärisch machen die Entwickler von Prospero Hall vieles richtig: die liebevollen Details und Filmzitate auf dem Spielmaterial, der Hai, der unvermittelt und an unterschiedlichen Orten zuschlägt und das kooperative Ziel, sich als Mitspieler gegen den Meereskiller verbünden zu müssen.

Nichts für Familien

Wie der Film ist auch das Spiel nichts für Familien. Das liegt weniger am martialischen Geschehen auf der Insel und dem Boot, sondern an der eng bedruckten Anleitung. Sie erklärt zwar verständlich und nachvollziehbar die Abläufe und Optionen des Spiels. Aber warum benötigt ein Brettspiel mit einfachen Spielprinzipien (Hidden Movement, Dice Rolling) ein so ausführliches Regelwerk? Und wer will zwölf Seiten Text konsumieren, bevor es losgeht?

Lange Anleitung, empfohlen ab zwölf Jahren – ist das ein Kennerspiel? Nein, denn dafür fehlen Komplexität und strategische Tiefe. Das Spiel verliert sich in zu vielen Details für jeden Spielzug, der auch nach mehrmaligem Spielen nicht intuitiver wird. Immer wieder war ein Blick in die Anleitung nötig, um Abläufe regelkonform einzuhalten. Das wäre tolerierbar, böte „Der weiße Hai“ tatsächlich spielerische Varianz.

Vorhersagespiel mit rudimentären Kooperationsmöglichkeiten

Was auf der Spielschachtel als „Strategiespiel voller Spannung“ angepriesen wird, entpuppt sich als Vorhersagespiel mit rudimentären Kooperationsmöglichkeiten (1. Akt) und setzt zudem auf eine gehörige Portion Würfelglück (2. Akt). Voraussetzungen, bei denen der Hai fast immer im Vorteil ist: Vor allem im zweiten Teil sorgt die Spielmechanik für viel Frust bei den Spielern Brody, Hooper und Quint. Nur wenn sie korrekt voraussagen, wo der Hai auftaucht, können sie überhaupt einen Angriff starten, was oft zu langen Gesichtern am Spieltisch führte. Diese Probleme hat der Hai nicht. Im Gegenteil: Seine Fähigkeit, am Ende jeder Runde noch einen Zusatzangriff auf einen Spieler im Wasser auszuführen, sorgt für ein Ungleichgewicht. Thematisch mag das in Ordnung gehen (welcher Mensch könnte zwei Haiangriffe lebend überstehen?), spielerisch ist es zweifelhaft, weil jeder Spieler die gleiche Siegchance haben sollte.

Unterm Strich ist „Der weiße Hai“ als Brettspiel nur ein durchschnittliches Brettspiel mit wenig Wiederspielreiz für uns.

  • Die 15 beliebtesten Brettspiel-Rezensionen unserer Leser:innen
    15. August 2022 at 17:53

    […] Wie der Film ist auch das Brettspiel in zwei Akte unterteilt: Im ersten Akt sucht der weiße Hai die Strände von Amity Island heim und versucht, so viele Badegäste wie möglich zu fressen. Währenddessen koordinieren die anderen Spieler ihre Aufgaben und Spielzüge auf der Insel mit dem Ziel, Menschenleben zu retten und den Hai aufzuspüren. Im zweiten Akt geht es raus aufs Meer: Brody, Hooper und Quint müssen sich auf dem Boot Orca vor den Angriffen des Hais in Sicherheit bringen und gleichzeitig versuchen, ihn zu töten. Entweder gewinnen alle überlebenden Jäger gemeinsam – oder der Hai siegt. unser Fazit: Die Jagd auf den weißen Hai ist thematisch gelungen, aber das Brettspiel schwächelt auf spielerischer Ebene. Zur ausführlichen Rezension auf Brettspielelust […]

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